Eine Hochalpine Mountainbike-Reise von Ramsau im Zillertal über die Dolomiten bis nach Bassano del Grappa Venezien.
Vier Flachlandradler der Radsportabteilung der DJK Dülmen im Gesamtalter von 269 Jahren haben zum wiederholten Male die Alpen mit dem Mountainbike überquert. Angeführt von Michael R. sind Johannes Heiming, Heinz Einhaus, Toni Carstensen und Reinhard Wilms eine Strecke von 350 Kilometern mit 7880 Höhenmetern mit Steigungen von bis zu 20% gestrampelt. Über verlassene Militärwege aus dem 1. Weltkrieg und unwegsame Schotterpisten sowie Single Trails mit der Breite eines Gästehandtuchs führten sie der Weg in die dünne Luft der Bergpässe. Das Atmen viel schwer, die Sonne und die Oberschenkel brannten erbarmungslos. Wer hier absteigt und schiebt hat so gut wie keine Chance wieder aufs Rad zu steigen. Aber nicht nur die Bergauffahrten waren eine enorme Herausforderung für die Rentnertruppe. Die halsbrecherischen Abfahrten von den Pässen waren an der einen und anderen Stelle lebensgefährlich. Auf der einen Seite eine steile Felswand und auf der anderen Seite der tiefe Blick in den Abgrund. Wer hier nicht auf den Trail konzentriert ist kommt schneller nach unten als es ihm lieb sein kann. Wer da noch glaubt eine Alpenüberquerung sei nichts Besonderes der hat nur die Genus Touren der Kategorie 1 oder 2 gefahren oder darüber gelesen. Wer aber eine Transalp der Kategorie 3 gefahren ist weis das die höchste Kategorie 4 nur für Profis fahrbar ist.
Das Reisetagebuch:
Tag 1
Von Ramsau hinauf zum Pfitscher Joch 2248 m ü.NN und wieder hinab ins Pfitscher Tal nach St. Jakob. Dafür waren wir 7 Stunden und 50 Minuten im Sattel. Das Pfitscher Tal zählt zu den einsamsten Hochtälern der Zentralalpen. Umgeben von hohen Bergkämmen zieht es sich vom Sterzinger Becken 36km weit bis zum Pfitscher Tal zwischen Kämmen der Zillertaler Alpen zum Pfitscher Joch. Als Übergang in das Zillertal hatte das Pfitscher Joch schon immer Bedeutung. So erwähnt eine Urkunde schon im Jahre 1180 die Gegend Phize und 1382 wird von Viehtrieben in das Zillertal berichtet. Die Viehtriebe nach Österreich werden trotz der inzwischen aufgerichteten Staatsgrenze noch immer im Frühjahr und Herbst durchgeführt, denn die Almen der Pfitscher liegen auch heute noch auf Österreichischem Gebiet.
Tag 2
Von St.Jakob nach Bruneck im Pustertal – 75 km 7 Stunden und 22 Minuten Fahrzeit. Mächtige Burgen säumen das Eisacktal. Unsere Bikes rollten hier auf uralten Karrenwegen. Am späten Nachmittag gelangten wir ins Südtiroler Pustertal und erreichten Stefansdorf bei Bruneck. Sehenswert die Franzensfeste, eine Burg die nie gebraucht wurde. Beeindruckend war die Festung aus massigen Granitquadern, scheinbar uneinnehmbar und dominierend aber trotzdem harmlos. Die Franzensfeste wurde 1833-39 errichtet, nach Kaiser Franz I. von Österreich benannt war sie damals das stärkste Festungswerk Europas. Doch diese Verteidigungsanlage hat nie echtes Kampfgeschehen erlebt, war bald technisch überholt, prägt aber heute noch eindrucksvoll die Landschaft.
Tag 3
Von Bruneck hinauf auf 2690 m ü.NN durch den Naturpark Fanes in 7 Stunden und 15 Minuten. Vorhang auf für eine der grandiosesten Berglandschaften der Welt. Schmale Bergstraßen brachten uns ins Herz der Dolomiten. Wir waren inmitten der Felsenarena des Naturpark Fanes. Über das Limojoch erreichten wir eines der schönsten Hochtäler der Alpen. Insider bezeichnen den Naturpark Fanes gerne als den schönsten und eindrucksvollsten Naturpark Südtirols. Tier- und Pflanzenwelt stehen unter strengem Schutz. Sogar Hollywood nutzte die einmalige Naturkulisse als Drehort für die spektakulärsten Szenen des Films „Cliffhanger“ mit Sylvester Stallone. Vergleichbares war in Amerika nämlich nicht zu finden.
Tag 4
In 7 Stunden und 23 Minuten von Fanes nach Alleghe.
Am Heiligkreuzkofel-Massiv entlang ging es vormittags hinauf zum legendären Falzarego-Pass. Der Marmolata Gletscher war nun zum Greifen nahe. Doch das sollte erst der Auftakt zu einem unvergesslichen Tag sein. Über einen steilen Schotterweg erklommen wir die Rifugio Averau an den legendären Cinque Torri vorbei und bewältigten eine der spektakulärsten Trail Abfahrten der Alpen.
Tag 5
78 km, 1050 hm Stunden, 22 Minuten – von Alleghe nach Feltre
Nicht selten liegt noch der Morgennebel über dem idyllischen Bergsee in Alleghe am Fuß der mächtigen Civetta. Doch in der vergangenen Nacht hatte es stark geregnet und die Straßen und Wege waren noch nass. Wenig später durchfuhren wir dann auf kleinen Nebenstraßen die vergessene Val del Mis mit verschlafenen Dörfern und atemberaubenden Felsschluchten. Durch das Unwetter in 2018 waren die Wege teilweise weggespült und wir mussten die Räder durchs Flussbett tragen. Als Belohnung empfing uns ein pralles Italien vorm Tagesziel Feltre.
Tag 6
In 7 Stunden und 34 Minuten von Feltre nach Bassano del Grappa – 60 km, 1600 hm
Der Anstieg zum Monte Grappa war lang, abwechslungsreich und mit teilweise 20% Steigung eine der besonderen Herausforderungen der gesamten Reise. Die Radhose schnürte die angeschwollenen Oberschenkel ab und jeder Meter musste hart erkämpft werden. Über eine uralte Militärstraße und schmale Single Trails (Dynamite Trails) erreichten wir den Gipfel des Monte Grappa. Zahlreiche Zeitzeugen aus dem 1. Weltkrieg säumten die Strecke. Wir konnten nicht wiederstehen uns die eine oder andere Höhle, die in den Felsen gesprengt war, zu besichtigen. Umso höher wir kamen umso dichter wurde der Nebel und die Kälte fiel durch die Scharten hinab. Gut, dass wir mit warmen Jacken vorgesorgt hatten. Nachdem wir den Gipfel erreicht hatten flogen wir nur noch so bergab ins Tal bis an unser endgültiges Ziel die Holzbrücke “Ponte degli Alpini“ Ein Prosecco durfte zur Feier des Tages natürlich nicht fehlen!
Weil die schmalen Wege in den Felsen gesprengt wurden und dem Militär als Nachschubwege dienten werden sie Dynamite Trails genannt. Mehr als 100 Sommer und Winter sind über die alpinen Stellungen nun hinweg gezogen, in denen einst Italiener, Österreicher und Deutsche im ersten Weltkrieg lebten und kämpften. Doch noch immer sind die Spuren und Wunden allgegenwärtig, die menschlicher Bau- und Festungswahn in der einsamen Bergwelt hinterlassen haben. Doch die Wege, die einst zur gegenseitigen Vernichtung in den Felsen geschlagen wurden, dienen heute Wanderern und Mountainbikern als Strecken der Begegnung.
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